Das Gesamtkunstwerk

Auf einem ca. 3 ha großen Heidegrundstück, mitten im Wald gelegen, befindet sich ein einzigartiges Gesamtkunstwerk. Zwischen Jesteburg und Lüllau verwirklichten Johann Michael Bossard und seine Frau Jutta Bossard-Krull ihren Lebenstraum von einer Stätte, an der die verschiedenen Künste Architektur, Bildhauerei, Malerei, Kunstgewerbe und Gartenkunst zu einer Einheit verschmelzen. Sie arbeiteten bis zum Tode Johann Michael Bossards (1950) unermüdlich an diesem Werk. Dabei wurden nicht nur die verschiedenen Stile der Zeit aufgegriffen, sondern auch unterschiedliche und moderne Materialien verwendet. Heute ist die Kunststätte Bossard ein einzigartiger Ort, an dem expressionistische Wandmalerei und Raumausstattung im ursprünglichen Zusammenhang erhalten geblieben sind. Zu sehen sind die Ausstellungen im Neuen Atelier, der Kunsttempel sowie der Eddasaal und das Urgebraus im Wohn- und Atelierhaus.

Die Privaträume der Bossards können im Rahmen von kurzen Führungen besichtigt werden.

 

 

Europa Nostra Preis

Die Europäische Kommission und der europäische Dachverband Europa Nostra haben die Kunststätte Bossard mit dem Preis der Europäischen Union für das Kulturerbe (Europa-Nostra-Preis) 2012 ausgezeichnet. Die Kunststätte Bossard erhält den Preis für die umfassende Restaurierung und Erhaltung des sogenannten Zweiten Tempelzyklus' in der Kategorie „Konservierung“. Der Tempelzyklus besteht aus zahlreichen Gemälden und vier großen Triptychen und wurde von Johann Michael Bossard für den Kunsttempel entworfen. Er ist ein zentraler Bestandteil des Gesamtkunstwerks, das Bossard zwischen 1911 und 1950 in der Lüneburger Nordheide unweit von Hamburg schuf. Der Kunsttempel zählt neben dem Hamburger Chilehaus zu den wichtigsten Bauten des Norddeutschen Backsteinexpressionismus und ist sowohl durch eine außergewöhnliche Fassadengestaltung als auch durch eine umfassende künstlerische Innenausstattung geprägt.

Die Europa-Nostra-Jury zeigte sich beeindruckt von diesem „bemerkenswerten Beispiel expressionistischer Architektur“ sowie seiner künstlerischen Umsetzung und Ausgestaltung durch Malerei, Bildhauerei und Mosaike. Die Jury würdigte speziell die restauratorischen und konservatorischen Arbeiten, die den Erhalt dieses „ungewöhnlichen und bedeutenden“ Kunstwerks auch für künftige Generationen ermöglichen. Mit der Auszeichnung möchte die Jury dazu beitragen, die Kunststätte Bossard einer breiten internationalen Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Deutsche Träger des Europa-Nostra-Preises waren zuvor das Bayerische Nationalmuseum in München (2011) und das Neue Museum in Berlin (2010). Die Kunststätte Bossard wurde als einer von 28 Preisträgern unter 226 Bewerbungen aus 31 Ländern ausgewählt.

Mehr über Europa Nostra

 

Johann Michael Bossard

Johann Michael Bossard (1874-1950) wurde in Zug in der Schweiz geboren. Er wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. 1880 verlor sein Vater aufgrund einer Bürgschaft seine ganze Habe und auch das Haus, in dem die Familie lebte und wo der Schlosserbetrieb untergebracht war. Der nächste Schicksalsschlag folgte, als Johann Bossard elf Jahre alt war. Nach einer schweren Krankheit verlor er die Sehkraft seines rechten Auges. 1893 schloss er eine Ausbildung in einer Hafnerei in Zug ab. Hier erlernte er das Ofenbauen sowie das Modellieren und Bemalen von Kacheln.

 

Ab 1894 studierte Johann Bossard in München Bildhauerei. Ein Stipendium des Bürgerrats von Zug unterstützte ihn finanziell. 1899 setzte er sein Studium in Berlin fort, nun mit dem Schwerpunkt Malerei. Sowohl mit grafischen Arbeiten, wie dem Zyklus „Das Jahr“, als auch mit spätklassizistischen Kleinplastiken, Kinderdarstellungen und mythischen Figuren, machte sich der Künstler um 1900 einen Namen.

 

1907 wurde Johann Bossard als Lehrer für Bildhauerei an die Kunstgewerbeschule Hamburg berufen. 1912 folgte seine Beförderung zum Professor. In diesen Jahren entwarf der Künstler zahlreiche Bauplastiken für Gebäude in Hamburg und Berlin, sowie einige Grabmäler. 1911 ermöglichten ihm seine Einkünfte den Erwerb eines drei Hektar großen Grundstücks in Wiedenhof nahe Jesteburg. Dort begann 1913 der Bau eines Wohn- und Atelierhauses.

 

Der Erste Weltkrieg löste gesellschaftliche Strukturen auf. Auch für Johann Bossard bedeutete diese Zeit einen Einschnitt. Von 1916 bis 1918 diente er als Freiwilliger an der Westfront. Anschließend, ab 1919, setzte der Künstler auf seinem Grundstück nach und nach die Idee eines Gesamtkunstwerks um. Die Privaträume im Wohn- und Atelierhaus wurden gestaltet, genauso wie der Garten angelegt. Dabei entstanden sowohl meditativ-kontemplative Räume wie der Baumtempel, aber auch Nutzflächen wie die Ackerfläche oder der Nutzgarten. Auch die Selbstversorgung war Bestandteil des Gesamtkunstwerks.

 

1926 heiratete Johann Bossard die 29 Jahre jüngere Bildhauerin Jutta Krull, seine ehemalige Schülerin. Mit dem gemeinsamen Bau des Kunsttempels von 1926 bis 1929 begann die kontinuierliche Zusammenarbeit des Künstlerehepaars an dem Gesamtkunstwerk. Von 1932 bis 1935 gestaltete Johann und Jutta Bossard als letzten Raum im Wohn- und Atelierhaus den Eddasaal.

Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler 1933 hoffte Johann Bossard, mit seinen Visionen einer neuen Gesellschaftsordnung einen Beitrag zum Wiederaufbau Deutschlands leisten zu können. Depression und Inflation hatten der Weimarer Republik in den 1920er Jahren schwer zugesetzt. Johann Bossard und seine engen Freunde und Förderer Theo Offergeld und Helmuth Wohltath versuchten, Funktionäre der NSDAP für das Gesamtkunstwerk in der Nordheide zu begeistern – letztlich ohne Erfolg.

 

Nach der Machtübernahme Adolf Hitlers trat Bossard im Januar 1934 der Reichskammer für die bildenden Künste (RKB) bei. Dies war Voraussetzung, um weiter als freischaffender Künstler arbeiten und ausstellen zu dürfen und die notwendigen Arbeitsmaterialien zu erhalten. Bossard war ebenso Mitglied des Nationalsozialistischen Wohlfahrtsvereins (NSV), wobei er nach eigenen Angaben ab 1939 keine Beiträge mehr zahlte. Im Juni 1933 trat er zudem dem Nationalsozialistischen Lehrerbund bei, den er im Dezember 1934 wieder verließ.

 

Es gibt keine Belege dafür, dass Bossard Mitglied der NSDAP war, obwohl von Seiten des Nationalsozialistischen Lehrerverbands (NSLB) eine entsprechende Anordnung für Dozenten an den Hochschulen vorlag.

 

Viele Fragen zur Geisteshaltung des Künstlers Johann Bossard und seiner Frau sind noch heute ungeklärt. Im Sommer 2021 beauftragte die Stiftung Kunststätte Johann und Jutta Bossard das Institut für Zeitgeschichte München-Berlin mit der objektiven und wissenschaftlich fundierten Aufarbeitung der Rolle des Ehepaares Johann und Jutta Bossard zur Zeit der nationalsozialistischen Diktatur. Das Forschungsvorhaben wird sich über mehrere Jahre erstrecken. Die Ergebnisse und Zwischenergebnisse dieser Forschung werden regelmäßig im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Reden wir über Bossard“ an der Kunststätte Bossard vermittelt.

 

Den Zweiten Weltkrieg überstand die Kunststätte bis auf wenige zerbrochene Fensterscheiben unbeschadet. 1944 wurde Johann Bossard pensioniert. Im Jahr 1950 starb er. Jutta Bossard erwirkte eine Sondergenehmigung für ein Urnengrab auf dem Grundstück, am Ende der Monolithenallee.

Jutta Bossard-Krull

Carla Augusta Elsine Dorothea Krull (1903-1996), kurz Jutta genannt, wurde in Buxtehude geboren. Sie war das sechste und letzte Kind in der Lehrerfamilie Ernst Krull.

 

Von 1922 bis 1926 hatte sie Keramik und Bildhauerei an der Kunstgewerbeschule in Hamburg studiert. 1926, nach Abschluss des Studiums, heiratete sie ihren Lehrer Johann Michael Bossard.

 

Seitdem arbeiteten beide gemeinsam an dem Gesamtkunstwerk „Kunststätte Bossard“. Jutta Bossard übernahm viele der plastischen Arbeiten, etwa im Eddasaal, und schuf Keramiken. Außerdem bemalte sie Porzellan, das im Sinne der angestrebten Durchdringung von Kunst und Leben im Alltag Verwendung fand. Sie arbeitete aber auch zusammen mit ihrem Mann nach dessen Entwürfen (z.B. Mosaikfußboden im Kunsttempel) und wirkte mit ihren praktischen und handwerklichen Fähigkeiten am Ausbau der Kunststätte Bossard mit.

 

Viele Fragen zur Geisteshaltung des Künstlerehepaars Bossard sind noch heute ungeklärt. Im Sommer 2021 beauftragte die Stiftung Kunststätte Johann und Jutta Bossard das Institut für Zeitgeschichte München-Berlin mit der objektiven und wissenschaftlich fundierten Aufarbeitung der Rolle des Ehepaares Johann und Jutta Bossard zur Zeit der nationalsozialistischen Diktatur. Das Forschungsvorhaben wird sich über mehrere Jahre erstrecken. Die Ergebnisse und Zwischenergebnisse dieser Forschung werden regelmäßig im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Reden wir über Bossard“ an der Kunststätte Bossard vermittelt.

 

Nach dem Tod ihres Mannes setzte Jutta Bossard ihre ganze Energie für den Erhalt der Kunststätte ein. Mit Auftragsarbeiten versuchte sie die notwendigsten Instandsetzungsarbeiten zu finanzieren. Für ihr Engagement wurde Jutta Bossard 1977 mit dem Kulturpreis des Landkreises Harburg ausgezeichnet. Im November 1995 gingen das Grundstück, die Gebäude und die Kunstwerke in die „Stiftung Kunststätte Johann und Jutta Bossard“ über. Damit sicherte Jutta Bossard den Erhalt der Anlage über ihren Tod im Jahr 1996 hinaus. Seitdem ist das Gesamtkunstwerk als Museum für Besucher zugänglich.

 

Ebenso wie Johann Bossard und Wilma Krull findet sich auch das Urnengrab von Jutta Bossard auf dem Grundstück, am Ende der Monolithenallee.

Wilma Krull

Wilma Krull (1896-1979) lebte an der Kunststätte ab 1929 50 Jahre lang an der Seite ihrer jüngeren Schwester Jutta Bossard. In dieser langen Zeit war sie die unermüdliche Betreuerin von Haus und Hof. Ihr großer Einsatz schaffte dem Ehepaar Bossard ausreichend Freiraum, um sich ganz der Kunst widmen zu können. 

Die kenntnisreiche Bewirtschaftung der Gartenanlage durch Wilma Krull hat es eigentlich erst möglich gemacht, dass der Künstler Bossard ein so gastfreundliches Haus führen konnte und genau daran – am großzügigen Leben im Gesamtkunstwerk – lag ihm viel. Bossards Programm der Selbstversorgung im Sinne der Lebensreform-Bewegung setzte Wilma Krull in ihrer Tätigkeit unauffällig, aber effektiv um und leistete so einen eigenen Beitrag zum Gelingen des Gesamtkunstwerkes.

Alle Haustiere – Hühner, Enten, Gänse, Puten, Schafe und sogar ein Schwein, und natürlich auch Hunde und Katzen – wurden von Wilma Krull versorgt. Zeitweise wurden auch Bienen gehalten und dabei profitierte Tante Ille – so wurde sie in der Familie genannt – besonders von dem naturkundlichen Wissen ihres Vaters, des Oberlehrers Ernst Krull, der seinen beiden Töchtern in allen Fragen des Gartenbaus, vor allem aber bei der Bienenzucht, mit Rat und Tat zur Seite stand.

Museumsrundgang

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Entdecken sie das Gesamtkunstwerk auf eigene Faust mit Lageplan und Kurzerläuterungen einzelner Stationen.

Geheime Orte

Kommen Sie mit uns an die "Geheimen Orte" der Kunststätte. Orte, die wir unseren Besuchern während der Themenführungen nicht zeigen können.

Das Badezimmer

Die Veranda

Bewegte Wände

Hinterm Omega

Das Schatzkämmerchen

Das Gondelchen

Das Nordportal

Das Südportal

Das Kleine Atelier

Der Steingarten

Die Kunsttempel-Sanierung

 

Museumsgütesiegel

Die Kunststätte Bossard trägt seit 2013 das Museumsgütesiegel als registriertes Museum im Verband der Museen in Niedersachsen und Bremen.

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